Der
Assassine wartete in dem vereinbarten Haus auf seine beiden Spießgesellen. Für
diesen Auftrag brauchte er einen bestimmten Schlag Mann. Verwegen. Ohne Angst.
Ein bisschen verrückt.
Er
konnte es immer noch kaum fassen, was der Seneschall ihm aufgetragen hatte.
Aber die Entlohnung war ebenso unglaublich. Einhundert Goldtaler im Voraus.
Weitere Fünfhundert bei Lieferung.
Diese Menge Gold erhob einen Bettler in den Stand eines
Fürsten. Wenn die Mission gelänge, dann würden sich die Lebensumstände aller
Beteiligten grundlegend ändern. Der Assassine könnte seinem Beruf den Rücken
kehren und ein eigenes Handelsimperium aus Gaststätten und Freudenhäusern
gründen. Schon jetzt war seine gesamte Gilde in diesen Geschäftsfeldern tätig,
jedoch nur in den Armenvierteln und den heruntergekommensten Spelunken der
Hauptstadt.
Gilde. In Wahrheit waren sie nur eine Bande aus Bettlern
und Kleinkriminellen. Er war einer der wenigen, der mehr beisteuerte als ein
paar klägliche Silbermünzen, die nur für das Brot auf dem Tisch reichten. Er
hätte für sich selbst ein gutes Leben aufbauen können, aber die Familie kam nun
einmal zuerst. Eine der wenigen Tugenden, die ihn sein Vater einst lehrte.
Vielleicht die einzige.
Er wurde jetzt ungeduldig. Die beiden hätten schon zu
Mittag eintreffen sollen, und die Sonne stand schon lange nicht mehr im Zenit.
Vielleicht war seine Wahl doch nicht so weise. Verschwiegenheit und
Verlässlichkeit. Wichtiger als Waffenkunst und Kraft.
Der
Standort des Hauses, in dem er wartete, war den beiden bekannt. Das geheime
Zeichen hatte er selbst am Vormittag mit Kreide auf den Türrahmen gezeichnet.
Sie konnten es nicht verfehlen. Er gab ihnen noch bis zum Sonnenuntergang, dann
würde er von hier verschwinden.
Nach
einer Weile hörte er aber, wie sich zwei Personen der Tür näherten. Große
Jungs, die aber lautlos gingen. Der Assassine versteckte sich im toten Winkel
der Tür und zog behände zwei lange schmale Klingen aus seiner weiten Robe
hervor.
Sicher ist sicher.
Der
Riegel wurde zurückgeschoben und durch die Tür traten zwei vierschrötige
Ratten. Beide groß und hager. Der Assassine erkannte seine Männer sofort am
Gang, noch bevor er ihre Gesichter sah.
Der
eine hatte ein vernarbtes Gesicht und seine Schwanzspitze fehlte. Er trug
ähnliche Kleidung wie der Assassine: weiter, dunkler, grober Stoff. Man nannte
ihn „Schnipper“. Innerhalb der Gilde nutzte man Spitznamen, die man, wenn
nötig, wieder ablegen konnte. Ein Halsabschneider, wie er im Buche stand.
Draufgängerisch. Wortkarg. Beides nützliche Eigenschaften.
Dem anderen fehlte der kleine Finger der linken Hand. Er
trug die Kleidung der lokalen Torfstecher. Eine weite, knielange Tunika aus
braunem Leinen. Eine dunkle, knielange Hose. Eine dunkelgraue Haube, die vor
Nässe und lästigen Insekten schützte. „Zweier“ nannte man ihn. Er konnte
gleichzeitig zwei Dolche mit tödlicher Zielsicherheit werfen. Geschickt und
obendrein ein schlauer Kerl, der im Voraus dachte.
„Wurde
auch Zeit.“ Die Stimme des Assassinen war ein düsteres, ärgerliches Hauchen.
Die
beiden fuhren herum, Klingen in den Händen.
„Das
Boot von Dreistädten legte später ab und wir hielten es für klug, nicht auf
Eile zu drängen. Wäre nicht so schlau, wenn zwei abgerissene Ratten von
wichtigen Terminen in Badersweil sprechen, die unnötig Aufmerksamkeit erregen“,
antwortete Zweier. Schnipper starrte den Assassinen nur düster an.
„Wenn ich eure Lebensgeschichte hören will, lasse ich
euch das wissen. Bis dahin, haltet euch an unsere Absprachen!“, knurrte der
Assassine.
„Schon
gut, Boss. Wir hatten halt keinen Einfluss auf den Fahrplan.“ Zweier steckte
seine Messer weg und hob beschwichtigend die Handflächen nach vorne.
„Aber nun sind wir hier. Also, um was geht es,
Grinser?“, fragte Zweier den Assassinen. Grinser. Sein eigener
Spitzname. Er wurde so genannt, weil er nie lächelte.
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