Ich hatte keine Ahnung,
wie lange ich weggenickt war. Als ich die Augen wieder öffnete und zum Fenster
schaute, schien draußen die Sonne. Wie bei einem Déjà-vu lief leise Musik und
Reed saß wieder lesend auf seinem Bett. Verstohlen musterte ich ihn. Es freute
mich, Reed zu sehen. In den wenigen Momenten, wenn er wirklich mal nicht da
war, fehlte mir etwas.
Vor allem strahlte er
auf mich unendliche Ruhe aus, was mich verwunderte, da er mir von dieser
inneren Unruhe erzählt hatte. Doch was wusste ich schon von dem, was in seinem
Kopf vorging? Auf mich wirkte er wie ein Fels in der Brandung; vielleicht auch
aufgrund seiner imposanten Größe, obwohl ich vom Football her einige große
Kerle kannte. Er gab mir, trotz meiner mehr als beschissenen Situation, ein
gutes Gefühl. Besonders das Gefühl, dass ich ihm vertrauen konnte. Warum auch
immer.
Reed hatte zumindest
keinen Hehl daraus gemacht, dass es bei mir mit dem Sport wohl vorbei war.
Scheiße, dabei war ich gerade in der besten Form meines Lebens und hatte echt
keinen Plan, was aus mir werden sollte. Trotzdem hatte er mir irgendwie
gleichzeitig Mut gemacht, dass es weiterging. Ich meine, verdammt, er trug
selbst ein fettes Paket an Problemen mit sich herum, und blickte trotzdem
positiv sowohl in meine als auch seine Zukunft. Wirkte, so wie er da saß,
unerschütterlich. Gab mir den Halt, den ich dringend benötigte, und so viel
mehr.
Eigentlich hätte ich
aufgrund der Tatsache, ab der Taille abwärts nichts zu spüren, vor Angst die
glatte Wand hochgehen müssen. Doch bevor es überhaupt so weit kam, hatte Reed
mich beruhigt. Mir glaubhaft zu verstehen gegeben, dass alles wieder gut wurde
und warum ich mich in der Situation befand. War dabei ruhig und gelassen
geblieben und hatte mich vor allen nicht mit Mitleid überschüttet. Sowas ging
mir ohnehin queer, egal, was es betraf. So wie damals, als unsere Eltern
starben, und selbst die größten Idioten der Sippe, von denen wir seit Jahren
nichts gehört hatten, plötzlich heuchelten, wie leid ihnen das tat.
Ich kannte Reed kaum –
und doch vertraute ich ihm nach dieser kurzen Zeit mehr, als ich dies zuvor bei
irgendjemandem getan hatte. Mal von Izzy und früher unseren Eltern abgesehen.
Fühlte mich bei ihm sicher und geborgen, was mich völlig irritierte. Wieso
fühlte ich gerade bei ihm etwas, was mir sonst niemand geben konnte? Ach,
vielleicht war ich einfach von der ganzen Chemie vollgedröhnt. Aber konnte es
mir davon im Bauch kribbeln oder war das von den Medikamenten?
Als ich tief seufzte,
hob mein Pfleger den Kopf, schaute zu mir und hatte wieder dieses dezente
Lächeln auf den Lippen, mit dem er mich bereits mehrmals angeschaut hatte. „Na?
Fit genug, um Izzy anzurufen?“
„Denke schon“, gab ich
mit kratziger Stimme zurück. „Würde sie bestimmt freuen, mich zu hören, oder?“
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