Mittwoch, 14. Dezember 2022

[Schnipseltime] Find myself - Wie das Licht reinkommt von N.D. Vilchez

 

„Bitte sei da.“

Mit geschlossenen Augen erklomm ich Sprosse für Sprosse. Nur nicht nach unten sehen. Ich konnte das auch ohne ihn schaffen. Anders als die bisherigen Male, wenn ich diese Leiter hinauf geklettert war, rührte mein Herzrasen jedoch nicht von meiner Höhenangst her. Heute hatte ich viel größere Angst davor, was mich im Inneren des Hochsitzes erwartete.

Ich tastete blind nach der Tür über mir und zog sie mit einem Ruck auf. Nachdem ich mich über die Kante gezogen hatte, wagte ich es, die Augen zu öffnen. Und erstarrte.

Der kleine Raum lag im Halbdunkeln, doch auch das wenige Dämmerlicht, das durch die offene Tür hereinfiel, reichte aus, um zu erkennen, dass es nichts zu sehen gab. Die Hütte war vollkommen leer.

Keine Decke, kein Schlafsack und kein Notizbuch. Nicht einmal die Lampe hatte er da gelassen.

Ich sackte zur Seite, wo ich mit der Schulter gegen das raue Holz stieß und schlug mir die Hand vor den Mund, um mein Schluchzen zu unterdrücken. Die Tränen, die mir seit Stunden in den Augen brannten, ließen sich nicht mehr aufhalten. Langsam rutschte ich an der Wand hinunter und rollte mich auf dem Boden zu einer Kugel zusammen.

 In der Zeit, die ich in der Ruine auf ihn gewartet hatte, war das Gefühl, dass etwas nicht stimmte immer stärker geworden und hatte sich irgendwann nicht mehr ignorieren lassen. Jetzt hatte ich die Bestätigung, vor der ich mich auf dem Weg hierher so gefürchtet hatte:

Graham war nicht mehr da.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Abschicken des Kommentars bin ich mit den Datenschutzrichtlinien des Blogs einverstanden.