Max lief einfach drauflos, Hauptsache, auf andere
Gedanken kommen.
Zehn Minuten nachdem sie losgegangen war, blieb
sie vor einem Café stehen. Es sah so einladend aus, dass sie zur Tür ging und
sie öffnete. Ein kühler Windzug wehte ihr entgegen, der ihr eine Gänsehaut
bescherte.
»Komm rein!«, rief ihr der junge Mann hinter der
Theke zu. Die Tische waren nicht alle besetzt, aber das Ambiente strömte eine
angenehme Atmosphäre aus.
»Möchtest du eine Abkühlung?«, fragte er sie
keck.
»Ein vernünftiger Kaffee wäre mir lieber.« Sie
ging zu ihm und setzte sich auf einen freien Hocker.
»Du siehst erhitzt aus, was dir aber absolut gut
steht!« Er zwinkerte ihr zu und drehte sich zu der Kaffeemaschine um, die
hinter ihm stand. Es war eines dieser Riesenmonstren mit unzähligen Knöpfen. Er
drückte hier und da und schon kroch ein herrlicher Kaffeegeruch zu ihr herüber.
»Wie heißt du?« Über die Schulter schaute er sie
an. Sein Lächeln war umwerfend und ansteckend zugleich.
»Mats.« Er stellte eine große Tasse Kaffee vor
ihr ab. »Brauchst du Milch oder Zucker?«
»Nein, danke. Ich trinke ihn schwarz, wie meine
Seele.« Jetzt zwinkerte sie ihm zu und nahm einen großen Schluck.
»Ist der nicht etwas zu heiß?« Max schüttelte den
Kopf und trank einen weiteren Schluck.
»Wo kommst du her? Ich habe dich hier noch nie
gesehen.«
»Ich bin erst seit ein paar Tagen in München. Ich
komme aus Pasadena.«
»Was machst du hier? Urlaub?« Während er sie das
alles fragte, bediente er die restliche Kundschaft weiter.
»Nein, ich habe gestern einen neuen Job
angefangen.« Um von ihm nicht gleich weiter ausgefragt zu werden, stellte sie
eine Gegenfrage: »Ist das dein Café?«
»Jupp«
»Wie alt bist du?«, wollte sie erstaunt wissen.
Mats sah aus wie ein Bubi, ein wirklich sexy Bubi.
»25 und du?« Sie schaute ihn über den Tassenrand
an. Sollte sie sich so verschätzt haben? Na ja, seine Statur war nicht
schlecht, eigentlich eher exzellent. Der durchtrainierte Body war durch das eng
anliegende Shirt auszumachen und sein Hintern einen Pfiff wert. Nur seine
Gesichtszüge sahen sehr verspielt aus. Und der noch nicht so dicht wachsende
Dreitagebart und die Grübchen ließen ihn verflucht jung wirken. Aber auch der
Undercut mit den zusammengebundenen Haaren wirkte an ihm jünger als 25.
»Willst du es mir nicht sagen? Du bist doch noch
nicht in dem Alter, wo …« Max grinste in ihre Tasse. Er wollte sie aufziehen.
Sie aus der Reserve locken, was ihm gelang. »Ich bin 27.«
»Hast du heute Abend Lust auf den besten Burger
in ganz München?«, fragte er sie.
»Du lädst mich aber nicht zur goldenen Möwe ein?«
Er schaute sie fragend an. »Wohin?«
»Zu McDonalds!«
»Ach so! Nein, ich habe einen Freund, der ein
eigenes Diner hat.«
»Sehr gern. Wann willst du dahin?«
Mit großen grünen Augen starrte er sie an.
»Ehrlich?«
»Warum nicht?« Er schaute sie noch immer
ungläubig an. »Hätte ich lieber ›Nein‹ sagen sollen?« Kopfschüttelnd fixierte
er sie, so als würde er erst ergründen müssen, was hier gerade passiert war.
»Nein, aber die meisten Mädels, die ich so früh
frage, sagen verklemmt, dass wir uns doch noch gar nicht kennen.«
Max trank ihren Kaffee aus und räusperte sich.
»Zum einen, ich bin nicht wie die ›meisten Mädels‹.« Mit den Fingern machte sie
Gänsefüßchen in der Luft. »Zum anderen haben wir uns doch einander vorgestellt.
Demnach kennen wir uns.« Sie stand auf und legte zehn Euro auf den Tresen. Doch
bevor Max das Café verließ, drehte sie sich an der Tür um. »Ich bin gegen 20
Uhr hier, und es hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Bis nachher!«
»Ich kann es kaum erwarten«, rief er ihr
hinterher.
Mit einem Lächeln und sichtlich entspannter lief
Max zum Büro zurück. Leider hatte sie vergessen, dass sie die zwei Finanzpläne
noch ausarbeiten musste. Doch das konnte ihr die Laune nicht verderben. Dazu
war das Gespräch eben viel zu erfrischend.
Keine fünf Minuten nachdem sie ihr Büro betreten
hatte, stand Brin in der Tür. »Geht’s dir wirklich gut? Herr Wieler sah vorhin
aus, als würde er dich fressen wollen.«
»Es ist alles gut. Komm rein, dann erzähle ich
dir alles.« Sie nahm ihr gegenüber am Schreibtisch Platz.
»Nun sag schon.«
»Also, er hat mich dann wohl in der Hand.« Bei
dem Gedanken schüttelte es sie.
»Wie?«
»Na ja, pass auf …« Max berichtete ihr haargenau
von dem Gespräch und auch von ihrem Vorhaben.
»Der wird dich danach rausschmeißen.«
»Das kann er nicht.«
»Da kennst du ihn aber schlecht. Der wird
durchdrehen. Du hast ihn noch nicht erlebt, wenn etwas nicht nach seinem Willen
geschieht, und das, was du vorhast, ist echt heftig. Er wird dich
wahrscheinlich zu Grunde richten, sodass du in der Branche keinen Job mehr
bekommst.«
Max stand auf und ging um den Schreibtisch zu
ihr. »Glaub mir. Er kann mir das Leben nicht zur Hölle machen. Ich habe
Verbindungen zur Geschäftsleitung, ganz oben.« Noch konnte sie ihr nicht sagen,
wer sie war und dass in spätestens drei Jahren sie die Vorgesetzte von allen
hier war. Doch sie musste Brin beruhigen.
»Was glaubst du, wie ich sonst an den Job
gekommen bin?« Brins Miene hellte sich auf. »Das dachte ich mir schon.«
»Und ganz ehrlich, wir können ihn doch nicht so
weitermachen lassen. Sonst lernt er nie, Respekt vor uns Frauen zu haben.«
Langsam kam ihr Lächeln wieder. Max war zwar erst den zweiten Tag hier, aber
musste bereits mehrfach sehen, wie dieser Idiot mit den weiblichen
Mitarbeiterinnen umging – sie eingeschlossen.
Brin erzählte ihr noch weitere Schauergeschichten über ihn, denn er hatte es auch schon bei ihr versucht.
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