„Also, ich bin Emma. Eigentlich wurde ich auf den Namen Erika getauft. Als ich als Teenager an fremde Leute verschenkt wurde, änderte ich ihn, um nicht mehr an die schreckliche Zeit in St. Ägyd erinnert zu werden. Ich bin seit einem Jahr Witwe. Meine Enkeltochter Iris ist mein Sonnenschein und mein Garten ist mein Lieblingsort. Solange Theo, mein Mann lebte, verbrachte ich viel Zeit in unserer Pfarre, aber Richie hat mir die Augen geöffnet.“ Sie lächelt ihn an.
„Er hat dir nicht die Augen geöffnet, sondern Gehirnwäsche betrieben.“ Petra ist außer sich. Sie kann Richie, diesen Parasit nicht leiden.
E: „Dort ist die Tür, wenn du dich nicht zu benehmen weißt. Lass an Richie nicht deine Frustrationen aus.“
Petra will aufbegehren, aber ihr Onkel bedeutet ihr mit den Händen, es bleiben zu lassen. „Also gut, ich bin Dr. Petra Michalitsch, Emmas Tochter. Ich fasse es noch immer nicht, denn ich habe erst vor kurzem erfahren, dass meine Mutter eigentlich Erika heißt. Als Draufgabe habe ich einen Onkel bekommen“. Sie schaut Fritz an. „Allmählich fügt sich eines zum anderen. Die Ticks meiner Mutter ergeben einen Sinn. Sie streitet es ab, aber ich wage zu behaupten, dass sie meinen Vater mit ihrem Putzfimmel tötete.“
Emma will etwas entgegnen, aber Petra lässt sie nicht zu Wort kommen.
P: „Was für ein verrückter Haufen. Meine Mutter kehrt ihre Probleme so lange unter den Teppich bis sie ihrer Enkeltochter mit ihren Albträumen mitten in der Nacht Angst einjagt. Iris versteht nicht, was mit ihrer Großmutter los ist. Ich vergaß, das liegt in der Familie. Du, lieber Onkel, hast dir lange Zeit lieber die Welt schön getrunken. Und Richie, dieser Prachtkerl, fixte sich die Probleme weg.“ Sie spielt mit ihrer Swarowski-Armbanduhr.
„Du entschuldigst dich, sofort!“, rief Emma außer sich.
P: „Entschuldigen wofür? Ich muss mich lediglich bei Claudia und den LeserInnen entschuldigen, dass ich als karrieregeile Furie und Rabenmutter drüber komme. Solange sie die Umstände nicht kennen, können sie sich kein Urteil bilden.“
R: „Mir kommen die Tränen. Renk dich ein und greif deine Mutter nicht ständig an. Mach sie nicht für alle deine Probleme verantwortlich. Es interessiert hier keinen, dass dich dein geschleckter Alessio betrügt. Du gehörst so richtig …“
Petra unterbricht Richie. „Fick dich, doch selbst.“ An ihre Mutter gewandt sagt sie: „Ich habe keine Zeit für diesen Quatsch. Sorry, Claudia.“ Petra steht auf und stolziert auf ihren Stilettos davon.
„Geile Braut, aber eiskalt“, resümiert Richie, als er ihr nachblickt.
Emma schnappt nach Luft.
Eine Weile herrscht Stille. Dann ergreift Emma wieder das Wort: „Ich entschuldige mich für meine Tochter. Leider rächt es sich, dass ich ihr nicht die Liebe geben konnte, die sie verdient hätte. Richie, leider hast du recht. Sie ist eiskalt wie meine Mutter. Leider ist sie ihr sehr ähnlich. Ich wünschte sie wäre so warmherzig wie du.“
R: „Und ich hätte gerne eine Mutter wie dich gehabt. Wie unhöflich, ich habe mich den LeserInnen noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Richard Stark. Freunde nennen mich Richie. Wie Petra schon herausposaunt hat, bin ich ein Ex-Junkie, aber seit Jahren clean. Ich bin Installateur und träume davon, irgendwann mein eigener Boss zu sein. Ich habe zwei Jungs, nämlich Kevin und Justin. Sie geben mir täglich Kraft, den Kampf meines Lebens fortzusetzen. Deswegen gehe ich regelmäßig zur Therapie, wo ich Fritz kennenlernte. Weißt du noch?“
F: „Freilich kann ich mich daran erinnern. Meine Herrschaften, ich bin Fritz, der Bruder von Erika, ähm Emma. Entschuldige, ich kann mich nicht daran gewöhnen.“ Er betrachtet seine Kappe. „Ich habe meine verloren geglaubte Schwester gesucht und gleichzeitig einen Freund gefunden. Ich komme aus einem kleinen Kaff in der Südsteiermark, wo ich das Gasthaus meiner Schwiegereltern führte. Jetzt bin ich in Pension und versuche spät aber doch, mein Leben in den Griff zu bekommen.“
R: „Das schaffst du, Alter. Frau Dr. Pronner ist eine gute Therapeutin. Schau mich an!“